MissVerständnis
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Erinnerungen, ungeordenet
Sie schreien nie.
Sie zischen, ihre Stimmen werden hart und wütend.
Trotzdem kommen mir diese Tage laut vor.
Ich fühle mich, als wäre ich an etwas Schuld, und die Stimmung macht meinen Hals ganz eng.
"Bei uns wird nicht geschrien", sagen sie manchmal, fast stolz.
(nur mich schreit er manchmal an, wenn ich "ihn zur Weißglut bringe" wie er sagt, und ihm "der Kragen platzt.")
"Wir sind ja schließlich nicht bei W.....'s" Das sind die Nachbarn links nebenan.
Ich bin gerne da. Obwohl sie manchmal schreien.
Da kann man Bonanza und Flipper gucken, auch, wenn das Wetter schön ist.
Tante I. und Oma W. gucken mit.
"Och, guck doch mal, Lassie holt Hilfe."
Die Stube ist warm und ruhig, man hört nur die Stimmen aus dem Fernseher.
Und ein leises Brummen. Die haben gebrummt, damals.
Manchmal, wenn er merkt, dass ich drüben bin, pfeift er draußen nach mir.
ich soll rauskommen bei dem schönen Wetter, nicht vor dem blöden Kasten sitzen.
Da, bei denen.
Es ist komisch, sie reden oft mit den Nachbarn, man hilft einander, aber irgendwas passt ihnen an "denen" nicht.
Die reden kein vernünftiges Deutsch, sagt meine Mutter.
"Wie du wieder redest, warst wohl wieder drüben."
Es war einfach Dialekt.
Es ist ein lauter Tag.
Er läßt mich nicht in Ruhe an diesen Tagen.
Ich habe beim Helfen etwas falsch gemacht, mich beim Fahrrad fahren lernen blöd angestellt,
etwas falsches gesagt...
Er zischt mich an, nimmt das Fahrrad, wirft es in die Garage.
"Wie kann man so blöd sein?"
"Immer diese Anstellerei."
"Du bist doch nur zu faul."
"Andere Kinder können das schon lange, aber du sitzt ja lieber vor der Flimmerkiste."
...und:"Was soll denn jetzt das Geplärre?", wenn ich weine.
Ich gehe rein, suche Trost, finde keinen.
Das Kleid meiner Mutter ist heute glatt.
Oma ist nicht zuhause.
Manchmal hilft es, lauter zu heulen.
(nicht zu laut, "sonst geb ich dir nen Grund.")
"was ist denn los, warum weinst du denn?"
Das ist Tante E., die Nachbarin von rechts, direkt an uns dran.
Doppelhäuser, Arbeitersiedlung.
"Na, komm mal rüber."
ich laufe durch unseren Garten, durch ihren, hin zum Haus.
Die Gärten sind groß, Nutzgärten.
Nur die feinen Leute haben Rabatten.
Ein paar haben wir auch, meine Mutter möchte es schön haben.
Als ich zum Haus komme, holt Tante E. mich in die Küche.
"Och, Kind, was ist denn da schon wieder los?"
"Du, der Vati meint das doch nicht so."
Ich kriege Kekse und Saft.
Onkel G. kommt rein.
"Na, du Schnullerbacke?" Er piekst mich in die Seite, ich lache und quietsche.
Kinderköpfe vergessen schnell, ihre Seelen nicht.
Sie mögen es auch nicht, wenn ich bei Tante E. und Onkel G. bin.
"Was musst du denn da immer rumhocken?"
"Geh raus, Spielen."
Ich habe Angst.
Angst vor fremden Kindern, Angst vor Autos und Treckern, Angst vor den Düsenjägern, die fast jeden Tag kreischend über die Siedlung donnern, Angst vor'm Fahrrad üben, Angst davor, dass sie abends weg gehen, vor der Stille und Dunkelheit im Haus.
Angst vor Onkel P. mit der dröhnenden Stimme.
Wenn er kommt, verstecke ich mich hinter dem Sofa.
Mein Vater packt mich am Arm, zieht mich dahinter hervor.
"Du gehst da jetzt hin und sagst guten Tag."
"Was soll denn die Anstellerei?", sagt meine Mutter, "du kennst doch Onkel P."
Mein Arm tut weh, ich schäme mich.
"Kann ich zu Oma?"
"Nein, du bleibst jetzt hier. Oma schläft."
"Nein" sage ich, "die ist wach."
"Jetzt auch noch Wiederworte, gleich gibt's hier ein Donnerwetter."
Mittagessen. Er sitzt mir gegenüber.
Mustert mich.
"Nachher schneiden wir Haare."
"Ich will aber nicht."
Sie: "Ach, geh, du siehst doch gar nichts mehr."
Er: "Diese ollen langen Zotteln. Wie sieht das denn aus?"
Oma sitzt mit am Tisch.
"Jetzt lass das Kind doch."
Er:"Misch du dich da nicht ein."
"Man wird ja wohl noch was sagen dürfen."
Sie:"Die Haare müssen geschnitten werden. Guck dir das doch mal an.
Du musst sie ja nicht jeden Tag durchkämmen."
Jetzt geht es wieder los.
Sie streiten, wegen mir.
Ich mag nicht mehr essen.
Er ist wütend, steht auf.
Gleich kommt er mit der Schere zurück, und mit seinem Metallkamm.
Haare werden draußen geschnitten.
Die Nachbarn gucken, weil ich schreie.
Wie sich das Metall auf dem Kopf anfühlte, spüre ich heute noch.
Sie schreien nie.
Sie zischen, ihre Stimmen werden hart und wütend.
Trotzdem kommen mir diese Tage laut vor.
Ich fühle mich, als wäre ich an etwas Schuld, und die Stimmung macht meinen Hals ganz eng.
"Bei uns wird nicht geschrien", sagen sie manchmal, fast stolz.
(nur mich schreit er manchmal an, wenn ich "ihn zur Weißglut bringe" wie er sagt, und ihm "der Kragen platzt.")
"Wir sind ja schließlich nicht bei W.....'s" Das sind die Nachbarn links nebenan.
Ich bin gerne da. Obwohl sie manchmal schreien.
Da kann man Bonanza und Flipper gucken, auch, wenn das Wetter schön ist.
Tante I. und Oma W. gucken mit.
"Och, guck doch mal, Lassie holt Hilfe."
Die Stube ist warm und ruhig, man hört nur die Stimmen aus dem Fernseher.
Und ein leises Brummen. Die haben gebrummt, damals.
Manchmal, wenn er merkt, dass ich drüben bin, pfeift er draußen nach mir.
ich soll rauskommen bei dem schönen Wetter, nicht vor dem blöden Kasten sitzen.
Da, bei denen.
Es ist komisch, sie reden oft mit den Nachbarn, man hilft einander, aber irgendwas passt ihnen an "denen" nicht.
Die reden kein vernünftiges Deutsch, sagt meine Mutter.
"Wie du wieder redest, warst wohl wieder drüben."
Es war einfach Dialekt.
Es ist ein lauter Tag.
Er läßt mich nicht in Ruhe an diesen Tagen.
Ich habe beim Helfen etwas falsch gemacht, mich beim Fahrrad fahren lernen blöd angestellt,
etwas falsches gesagt...
Er zischt mich an, nimmt das Fahrrad, wirft es in die Garage.
"Wie kann man so blöd sein?"
"Immer diese Anstellerei."
"Du bist doch nur zu faul."
"Andere Kinder können das schon lange, aber du sitzt ja lieber vor der Flimmerkiste."
...und:"Was soll denn jetzt das Geplärre?", wenn ich weine.
Ich gehe rein, suche Trost, finde keinen.
Das Kleid meiner Mutter ist heute glatt.
Oma ist nicht zuhause.
Manchmal hilft es, lauter zu heulen.
(nicht zu laut, "sonst geb ich dir nen Grund.")
"was ist denn los, warum weinst du denn?"
Das ist Tante E., die Nachbarin von rechts, direkt an uns dran.
Doppelhäuser, Arbeitersiedlung.
"Na, komm mal rüber."
ich laufe durch unseren Garten, durch ihren, hin zum Haus.
Die Gärten sind groß, Nutzgärten.
Nur die feinen Leute haben Rabatten.
Ein paar haben wir auch, meine Mutter möchte es schön haben.
Als ich zum Haus komme, holt Tante E. mich in die Küche.
"Och, Kind, was ist denn da schon wieder los?"
"Du, der Vati meint das doch nicht so."
Ich kriege Kekse und Saft.
Onkel G. kommt rein.
"Na, du Schnullerbacke?" Er piekst mich in die Seite, ich lache und quietsche.
Kinderköpfe vergessen schnell, ihre Seelen nicht.
Sie mögen es auch nicht, wenn ich bei Tante E. und Onkel G. bin.
"Was musst du denn da immer rumhocken?"
"Geh raus, Spielen."
Ich habe Angst.
Angst vor fremden Kindern, Angst vor Autos und Treckern, Angst vor den Düsenjägern, die fast jeden Tag kreischend über die Siedlung donnern, Angst vor'm Fahrrad üben, Angst davor, dass sie abends weg gehen, vor der Stille und Dunkelheit im Haus.
Angst vor Onkel P. mit der dröhnenden Stimme.
Wenn er kommt, verstecke ich mich hinter dem Sofa.
Mein Vater packt mich am Arm, zieht mich dahinter hervor.
"Du gehst da jetzt hin und sagst guten Tag."
"Was soll denn die Anstellerei?", sagt meine Mutter, "du kennst doch Onkel P."
Mein Arm tut weh, ich schäme mich.
"Kann ich zu Oma?"
"Nein, du bleibst jetzt hier. Oma schläft."
"Nein" sage ich, "die ist wach."
"Jetzt auch noch Wiederworte, gleich gibt's hier ein Donnerwetter."
Mittagessen. Er sitzt mir gegenüber.
Mustert mich.
"Nachher schneiden wir Haare."
"Ich will aber nicht."
Sie: "Ach, geh, du siehst doch gar nichts mehr."
Er: "Diese ollen langen Zotteln. Wie sieht das denn aus?"
Oma sitzt mit am Tisch.
"Jetzt lass das Kind doch."
Er:"Misch du dich da nicht ein."
"Man wird ja wohl noch was sagen dürfen."
Sie:"Die Haare müssen geschnitten werden. Guck dir das doch mal an.
Du musst sie ja nicht jeden Tag durchkämmen."
Jetzt geht es wieder los.
Sie streiten, wegen mir.
Ich mag nicht mehr essen.
Er ist wütend, steht auf.
Gleich kommt er mit der Schere zurück, und mit seinem Metallkamm.
Haare werden draußen geschnitten.
Die Nachbarn gucken, weil ich schreie.
Wie sich das Metall auf dem Kopf anfühlte, spüre ich heute noch.
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